Am Wochenende fand in Grünberg im Landkreis Gießen die Aufstellungsversammlung der Piratenpartei Hessen für die Landesliste für die Bundestagswahl 2013 statt.
Vermutlich bin nicht nur ich mit gemischten Gefühlen angereist – und das auch noch bei widerlichstem ‚Draußen‘, Nebel und Schneematsch haben den Samstag morgen nicht wirklich fröhlich ausschauen lassen.
Die Ankündigungen eines weißen Flecks auf der Netzverfügbarkeitskarte hat sich wohl nur für o2-Nutzer bewahrheitet, ich hatte durchgängig UMTS.
Kurz nach 10:00 Uhr ging der Spaß dann los, leider mit einem aus meiner Sicht negativem Höhepunkt. Die Eröffnungsrede des stellvertretenden Vorsitzenden artete direkt in das sattsam bekannte BuVo-Bashing aus, was zum einen auf dieser Veranstaltung schon mal gar nichts zu suchen hatte und zum zweiten einfach nur noch peinlich ist.
Gemeinschaftsgefühl wird nicht erzeugt, indem auf anderen rumgekloppt und die eigene – höchst subjektive – Sicht als Maßstab für so einen heterogenen Haufen wie die anwesenden rund 150 Personen angelegt wird.
Es folgte die erwartete Diskussion um die Wahlordnung, die nach rund anderthalb Stunden ein positives Ende fand: Die von der Versammlung angenommene Variante erwies sich als pragmatisch und führte im Endeffekt in nur einem Wahlgang zum Ziel.
Die Kandidaten (36 an der Zahl) stellten sich einzeln vor, wurden in der Regel nicht befragt, wodurch wir sehr gut im (ambitionierten) Zeitplan lagen1.
Ein Paar Kandidaten waren brilliant vorbereitet und eingestellt und gaben alles bei der Vorstellung. Das sollte sich auszahlen.
Ebenso die Fähigkeit, aus einer Frage, die an bodenloser Frechheit kaum zu übertreffen war, mittels einer brillianten Antwort einen Beifallssturm hinzuzaubern.
Nachdem die sattsam bekannte und ekelhafte hessische Shitstorm-Maschinerie bei einer Kandidatin im Vorfeld bereits angeworfen wurde, blieben während der Veranstaltung an dieser Stelle Tiefschläge und Anfeindungen aus, das hat mich positiv überrascht.
Gegen 17:00 Uhr stellte sich die Frage nach ‚Weitermachen, bis alle Kandidaten durch sind oder abbrechen und auf morgen vertagen‘. Die ansonsten souveräne Versammlungsleitung geriet ein wenig ins Schwimmen, aber letztendlich wurde beschlossen, weiterzumachen.
Das kollidierte leider mit unserem persönlichen Zeitplan und wir sind dann nach Hause gefahren, um von dort den Rest noch im Stream zu verfolgen.
Interlude: Was der Seb da an Stream hingezaubert hat, war einfach Sonderklasse. Ich kann jeden verstehen, der lieber am heimischen Monitor diesen Stream verfolgt hat, anstatt sich dem Weg auszusetzen.
Das war ein absolutes Highlight, vielen Dank.
Sonntag morgen. Huch, es gibt ja tatsächlich sowas wie Sonne.
Die Kandidatenfragerunde gestaltete sich bisweilen zäh und insbesondere provokante Fragen werden nach dem zweiten Antwortenden lahm, weil spätestens dann völlig klar ist, welche die präferierte Antwort sein muss.
Trollversuche am Fragemikro unterblieben nicht, verpufften aber angesichts schlagfertiger Antworten vollständig.
Dennoch war in meinen Augen die Versammlung zu diesem Zeitpunkt schon entschieden.
Nach der sehr cleveren Erläuterung2 der Wahldurchführung folgte ein Lehrstück in konstruktiver Mitarbeit, die Wahl verlief störungsfrei, reibungslos und mit einem bewundernswerten Maß an Selbstdisziplin.
Bei einem Stimmzettel, der die Möglichkeit für 216 Kreuzchen bot, nicht ganz anspruchslos und tatsächlich gab es keine einzige ungültige Stimmabgabe.
Während der Auszählung, die sich über mehrere Stunden hinzog, war ‚Offenes Mikro‘ im Saal, einige tolle Projekte und Vorhaben wurden vorgestellt. senficon erläuterte den Stand bei der Landesgeschäftsstelle, die im März bezogen wird und von der wir uns viel versprechen. Ein großer Dank an sie für die tolle Arbeit der vergangenen Monate.
Dann das Highlight der ganzen zwei Tage. In einem mitreißenden Vortrag erläuterte Michamo die Strategie für den Wahlkampf in Bezug auf öffentliche Wahrnehmung. Der Motivationsschub für alle und das dadurch geschaffene Gemeinschaftsgefühl war regelrecht greifbar und mit standing ovations wurde die erstklassige Präsentation honoriert.
Weniger Applaus fand das Anmaulen der Versammlung durch einen Pirat, der die mangelnde Teilnahme auf einer kürzlichen Demo kritisierte, was nicht daran lag, dass niemand da war, sondern dass er wohl die Mitpiraten nicht gefunden hatte.
Sowas hat IMHO auf so einer Veranstaltung nichts verloren, schlechte Laune einzelner wird nicht besser, wenn man allen anderen versucht, auch welche zu machen, indem man mit Schuldvorwürfen operiert.
Viel gab es aber sonst nicht zu sagen, weswegen die Veranstaltung zu diesem Zeitpunkt etwas zäh geriet, aber von der Versammlungsleitung durchaus launig und kreativ überbrückt wurde.
War schon eine Zeitlang bekannt, dass es eine Liste mit 9 Menschen drauf werden würde, dauerte es bis kurz nach halb fünf, bis der nette Wahlleiter das Endergebnis verkündete.
Ich will an dieser Stelle keine Platzierung oder Eignung kommentieren…
Für mich überwiegt nach Monaten grenzenlosen Unverständnisses über die Vorgänge im LV ein gewisses Maß an Hoffnung, dass es wieder aufwärts geht und versucht wird, die Gräben zu überwinden.
Es gibt da aber immer noch sehr viel zu tun, die Jubelchöre über den ‚geilsten LV‘ sind faktisch deplatziert und wenig dienlich3.
Den Gewählten wünsche ich viel Glück und Erfolg im Wahlkampf und bei der Wahl.
Ein paar Worte zum Drumherum: Die Halle war okay, Orga, Versammlungs- und Wahlleitung haben einen sehr guten Job gemacht.
Unterirdisch war das Catering. 8,50 Euro für verkochte Nudeln mit mäßigem Gulasch sind ein Witz, wenn es dafür im direkt daneben gelegenen Restaurant einen Riesenteller Cevapcici oder ähnliches mit allem Drum und Dran, sowie freundlicher Bedienung gibt.
Dafür war die Mate am frühen Sonntagmorgen ausverkauft :-(
Mag sein, dass über die Essenpreise die kostenlose Halle subventioniert wurde, aber somit zahlen die Teilnehmer indirekt Eintritt – geht gar nicht.
Die Kontrollgänge des Betreibers, um ‚eingeschmuggelte‘ Getränke oder Essen zu konfiszieren, kann ich persönlich nicht bestätigen, wenn es sie aber gab: Geht auch nicht.
Ich hoffe auf bessere Umsetzung Ende März, wenn es auf der #avlol um die Landesliste für die Landtagswahl geht.
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