Eine der wenigen sportlichen Herausforderungen, denen man auch als Behinderter sich zu stellen noch wagen kann (Na, Yoda, auch mal wieder hier), ist der geistige Ritt auf dem zwar gezähmten, aber überaus bockigen Amtsschimmel.
Im weiteren geht es um eine Veranstaltung, die von den Schulbehörden dieses schönen Bundeslandes veranstaltet wird und wie es aussieht, haben etwaige Mitstreiter schon längst dankend abgewunken.
Die nicht mehr anwesenden, weil entweder erfahrenen und damit bereits längst desillusionierten, oder eingeschüchterten und zum Widerstand nicht mehr befähigten Mitstreiter wären alle diejenigen, deren Kind aufgrund von Behinderung, Verletzung oder ähnlicher unangenehmer Lebens-Begleiterscheinung keinen Sport mehr treiben und damit nicht am Sportunterricht teilnehmen kann.
‚Ist doch kein Problem‘, höre ich den Chor der Nicht-Betroffenen sagen, ‚das wird attestiert und damit ist die Sache gelaufen.‘
Durchaus.
Genauso habe ich auch gedacht, aber damit steht man schon halb über dem wilden Gaul, der einen unter Beibringung blauer Flecken in der Großabnehmer-Packung in die Arena tragen sollte. Denn es gibt eine Verordnung (oder einen Erlass, das weiß irgendwie keiner so genau) der hessischen Kultusministerin (das ist die mit der Schöpfungslehre im Bio-Unterricht), also jedenfalls gibt es diese Anweisung, dass der Sport auch theoretisch zu vermitteln sei und somit jeder, auch wenn praktisch nicht, doch zumindest am theoretischen Sportunterricht teilzunehmen muss.
Der theoretische Teil wird auch bewertet, es gibt also eine Note im Zeugnis, bzw. Kursheft oder was auch immer die Oberstufler heutzutage haben. Soweit so gut.
Im Gegensatz zu den anderen, die auch praktisch am Sportunterricht teilnehmen, kann aber die Note der Nur-Theorie-ler nicht für das Abitur verwertet werden, anstatt 3 von 4 verpflichtenden Kursen können diese also genau 0 von 4 verpflichtenden Kursen einbringen.
Da allerdings alle die gleiche Anzahl an bewerteten Kursen für die Abitur-Note einbringen müssen, hat ein Nur-Theorie-ler keine Wahl und muss zusätzliche Kurse belegen, um auf die erforderliche Anzahl zu kommen.
Das war alles die Vorbereitung, das Gatter geht auf und wir halten uns während des Gesprächs mit der Schulleitung nur mühsam im Sattel.
‚So dürfen sie das nicht sehen.‘ hören wir zu ca. 60% des Gespräches. Die übrigen 40% werden von ‚Das müssen sie so sehen.‘ eingenommen, Tenor ist die hehre Bildung und dass man die Schulzeit ja nicht auf die Erreichung des Abschlusses reduzieren dürfe.
Das ist zwar das, worauf die Jugendlichen mit Eintritt in die Oberstufe genau vorbereitet werden, aber sei’s drum.
Nächste Runde: Schulamt.
Diesmal ist der Gaul erst gar nicht da, also kann man ihn auch nicht reiten. Ein Schuljurist beschränkt das Gespräch auf: ‚Da kann ich auch nichts machen.‘
Unnötig, überhaupt zu erwähnen, dass es darum kein bisschen ging, ein Hinweis war ja nur erhofft worden, an wen man mich sinnvollerweise zu wenden hätte, wenn der Herr ‚Ich kann da nichts machen‘ ja wohl nichts machen kann.
Dem somit weitgehend kampflosen Einzug ins Halbfinale folgt dann die Kür beim Kultusministerium, wo man sich sehr sympathisch gibt, aber auch nicht zuständig fühlt und an das Schulamt verweist.
*gnarf*
Bis zur Siegerehrung vergeht noch ein bisschen Zeit und zuerst müssen die Urkunden geschrieben werden.
Mal schauen, ob die Schule die Verordnung, den Erlass oder wasauchimmer die Frau Kultusminister da so von sich gegeben haben mag, in einer nachvollziehbaren Form vorliegen hat, damit das umgehend folgende Schreiben an das Schulamt auch noch ein wenig Substanz hat und die Argumentation nicht allzusehr ins Blaue hinein läuft.
Es sind bestimmt noch viele weiße Pferde da…
Bild von Gerd Altmann auf Pixabay
6 Kommentare
wjl · 1. Oktober 2007 um 12:00
Man möge ihnen im Wiederholungsfall mit einem Eintrag in meinem Blog drohen (damit der ganzen Welt zugänglich), der da lauten wird:
Kafkaesk!
Und somit wird die Unfähigkeit der hessischen Schulbehörde sowie des Kultusministeriums auf alle Zeiten in den Geschichtsbüchern verewigt sein. Vielleicht wird diese Institution ja mal so berühmt wie die Kalauer, die Ostfriesen, oder die bayerische Amtsregierung, die ja bekannterweise noch heute auf die göttliche Eingebung wartet?
Wie schade, daß ich nicht mehr so oft beim BMBF bin – da hätten wir sowas „auf dem kurzen Dienstweg“ regeln können. Auf dem ganz kurzen.
Kopf hoch,
ein Sympathisant
Bernhard · 1. Oktober 2007 um 12:09
Wenn die Note eh nicht verwertet werden kann und darf, ist das Ergebnis ja eigentlich egal. Oder hätte ein Nicht-Erscheinen weitreichendere Konsequenzen, als eine schlechte Note?
Bernhard, pragmatisch
sparta · 1. Oktober 2007 um 12:12
Nicht-Erscheinen hat den Ausschluss von der Abiturprüfung zur Folge.
Konsequent sind sie ja schon, die Ärmelschoner…
wjl · 1. Oktober 2007 um 13:58
Bei uns hieß sowas früher „Nachsitzen“, und das war eigentlich als Bestrafung gedacht…
Holger Issle · 2. Oktober 2007 um 08:08
Hi Peter,
na dann mal Vieeeeeeel Spaß(?)
Dir ist bekannt, daß Verfahren am Verwaltungsgericht kostenfrei sind? Zumindest bei uns sind die das… und ich fürchte, ohne ein solches wirst Du weiter von der Leere getreten werden und weitere blaue Flecken sammeln…
Ein Pragmatischer Ansatz wäre mit dem Lehrer/Schule zu reden, ob der theoretische Teil nicht gebündelt werden kann, damit die Probandin genug Zeit für die zusätzlichen Kurse aufbringen kann, ohne für ihre Behinderung zusätzlich bestraft zu werden – Stichwort Chancengleichheit, sie hat ja weniger Zeit zum lernen als alle anderen weil sie zusätzliche Kurse belegen muß.
Ich drück euch die Daumen,
Holger
sparta · 2. Oktober 2007 um 09:30
In Bezug auf pragmatische Ansätze erschien mir der Herr Direktor mit einem Lotoseffekt ausgestattet, sprich, es blieb nichts haften…