One should either be a work of Art, or wear a work of Art
Oscar Wilde
Kein anderes Teil der Bekleidung des heutigen Menschen erfüllt für mich das Wilde’sche Kriterium so vollständig wie ein Hut. Da wir von Pragmatismus durchzogen sind, findet sich Kunst bei Klamotten allerdings nur spärlich im alltäglichen Leben.
Was ja auch durchaus nicht verkehrt ist, künstlerisch wertvolle Schuhe – solange es nicht ausschließlich die Handwerkskunst ist – freuen vielleicht den Orthopäden, zuviel Kunst am Leib getragen lässt einen im Winter frieren und im Sommer schwitzen, Kunst ist meist zerbrechlich, unpraktisch oder wird schnell dreckig. Waschen lässt sie sich nur selten.
Zwar kann ein Hut auch großen praktischen Nutzen haben (in Australien generell oder in der Hartschalenvariante auf dem Motorrad), dennoch findet er sich zumeist aber auf dem Kopfe zur Zierde (man denke an Ascot) und bekommt prägenden Charakter für die Person, die ihn trägt.
Aus dem Alltagsleben sind in unseren Breiten die Hüte zusammen mit unseren Großvätern verschwunden. Sie waren die letzte Generation, die gewohnheitsmäßig auch auf dem Kopfe bekleidet waren, heutzutage ist ein Hut ein Zeichen von Exzentrik, ein sicheres Indiz, dass der Träger a. merkwürdig und/oder b. gefährlich ist.
„Remember when this was a band that wore hats?“ fragt Bruce Springsteen im ‚Blood Brothers‘-Video und, richtig, in der Kunst sieht man die Kunst auf dem Kopf noch so manches Mal, während ansonsten die Kapuze des Sweatshirts und/oder eine Baseballmütze das ist, was gemeinhin als ‚Kopfbedeckung‘ angesehen wird.
Nun steht es mir nicht an, mich zu beklagen, schließlich trage trug ich auch keinen Hut. Zu meinem Bedauern selbiges, denn gewollt hätte ich schon. Es blieb mir aber nicht verborgen, dass entweder schallendes Gelächter oder betretenes Schweigen die unweigerlichen Begleiter meiner daher wenig langlebigen Versuche, einen Hut tragen zu wollen, waren. „Dir stehen keine Hüte.“ pflegt mein liebes Weib zu sagen und wischt sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln.
Von daher war ich doch sehr skeptisch, als Helmut gestern sagte: „Peter,“ sagte er „Peter, ich habe da im Keller Erbstücke vom Großvater meiner Frau aus Basel, die musst du mal aufprobieren.“
Mit Basel hatte ich bisher auch wenig am Hut.
Mir war nicht bekannt, dass Emanuel Weiss in dieser Stadt in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts als Hutmacher wirkte oder dass Carl Rupp zur nämlichen Zeit dort eine Druckerei und Buchbinderei betrieb.
Völlig ignorant war ich bezüglich der Tatsache, dass besagter Herr Rupp irgendwann nach dem 29. März 1928 von dem erwähnten Herrn Weiss einen Hut erwarb. Einen ‘Bowler Hat’ (auch ‘Derby’ genannt), wie er in Geschichte und Fiktion von Winston Churchill über Stan Laurel, Oliver Hardy, Charlie Chaplin bis hin zu Alex DeLarge (und seinen Droogs) getragen wurde. Thugs and comedians…
Außer dem Bowler hatte dieser Carl Rupp unter anderem auch eine Enkelin. Diese wiederum hat außer ihrem Großvater auch einen Ehemann – da sind wir im Jetzt, beziehungsweise im Gestern, in dem ich hinter Helmut (<– Ehemann) in das Kellergewölbe hinabsteige.
Im Keller gibt es auf alle Fälle Bier, der Ausflug würde also nicht vergebens sein, dachte ich so bei mir, wappnete ich mich gegen den unweigerlichen Heiterkeitsausbruch und wohl gleich eintretende Finsternis (Hüte sind mir fast immer zu groß) und setzte vorsichtig das gute Stück auf den Kopf.
Verblüffung. Bei mir. Der passt ja richtig gut.
Verblüffung. Bei Helmut.
„Du kannst diesen Hut tragen, steht dir gut“ urteilte er anerkennend („ich glaub’s nicht, eine Visage, zu der ein Bowlerhut passt…“ war dann die ausführliche Würdigung…)
Spiegel hatten wir keinen greifbar, also musste ich zuerst mit der Begeisterung bei meinem Gegenüber auskommen, bis ich dann – ins spärliche Tageslicht zurückgekehrt – vermittels der Webcam des Asus EEE eine Eigenwürdigung vornehmen konnte.
Gefällt mir.
Gefällt mir gut.
So komme ich also zu einem demnächst 80 Jahre alten Hut, womit das gute Stück sich anschickt, in Bälde seinen Macher zu übertreffen, denn dieser verstarb im Jahre 1967, am 09. November, um genau zu sein, im Alter von 82 Jahren (Stadtchronik Basel).
An mir soll es nicht liegen, ich werde ihn nach Kräften pflegen und seiner Bestimmung zukommen lassen – getragen und beachtet zu werden.
Ob ich mir noch einen Gehstock mit silbernem Knauf zulegen soll?
6 Kommentare
Helmut Wicht · 18. März 2008 um 13:20
Schön.
(Kommentar eines Dandy):
Ist es nicht bedenkenswert, dass die Hüte die Hirne, die sie behüteten, so standhaft, so unversehrt und in so formvollendeter Eleganz überdauern, wie keine Erinnerung, die jemals unter einem Hut hauste? Die Erinnerung: sie trügt, sie lügt, sie redet schön oder hässlich und wird endlich verblassen. Der Hut aber, der Bowler-Hut insbesondere, wird abgestaubt und ist, was er je war: ein Mahnmal der Eleganz und Grazie und der Erinnerung daran, dass beide ewig und zeitlos sind. Das Hirn ist vergänglich: das Schöne nicht.
Fahnenträger · 18. März 2008 um 22:58
Ich hoffe, Du hast auch einen passenden Anzug. Bei passender Gelegenheit getragen, würde das ganze ausführlich fotografisch dokumentiert!
Ach ja: Zur Abrundung vielleicht ein Regenschirm. Muss kein Stock sein, ein schöner schwarzer Stockschirm reicht.
sparta · 19. März 2008 um 18:40
@Fahnenträger:
Den Anzug hätt‘ ich wohl, doch mag ich den Bowler in seiner ramponierten Eleganz gerne zum schwarzen Lederwams.
Der Schirm hingegen trifft schon eher meine Vorliebe, allerdings will ich nicht ohne Not in Fahnenträgers Gefilden wildern.
Ein Knüppel, aus dunklem Holze gefertigt, tät den Dienst auch verrichten…
trichtex · 22. März 2008 um 14:26
Was pflegt Dein liebes Weib denn nun zu sagen?
Kathinka · 22. März 2008 um 22:02
Die findet das cool und hat ihren eigenen Hut auch wieder rausgekramt. ;-)
Richie · 6. April 2008 um 14:15
Jo, da fehlt nur noch das „WANTED“ darüber, aber ich habe wohl zuviele Western gesehen. Aber daß Hüte wohl das äußere des Antlitzes sehr beinflussen können, weiß ich ja selbst allzu gut :)