… Wir sind die letzten Goten
Wir tragen keine Schätze mit
Wir tragen einen Toten“ (Text: Felix Dahn)

Am Anfang war das Ende oder so. Denn diese Zeilen waren mir immer noch im Gedächtnis, wiewohl ich das Buch, in dem sie verewigt worden waren, seit Jahrzehnten nicht mehr in der Hand gehabt habe.
Aber bevor es sich hier verzettelt – zum chronologischen Ablauf eines unterhaltsamen Nachmittags mit Musik, Goten, Goths und einem trip down memory lane…

Samstag. Von der Arbeit auf dem Grundstück erschöpft, habe ich mich ein wenig an den Rechner gesetzt und den release radar auf spotify angeschmissen.
Nach wenigen Minuten kam ein Stück, das den Tag komplett bestimmen und mich auf eine Reise in die Vergangenheit schicken sollte, die ich mir nicht hätte vorstellen können.


Das 2. Post bezieht sich darauf, dass ich mittlerweile von dem Cover von cHHris zum Original von Farya Faraji gefunden hatte. Ich mag ja Ethno-Krams wie sowas ohne Ende. Und Farya Faraji ist nicht nur super-talentiert, sondern auch ein echt sympathischer Typ.

Aber zurück zum Geschehen: Belisarius war ein oströmischer Feldherr in Diensten Justinians, des I. und damit ein prominenter Protagonist der Buchreihe ‚Ein Kampf um Rom‘ des Historikers Felix Dahn, zuerst erschienen 1876.

Dieses Buch hatte ich von meiner Patentante geschenkt bekommen, in einer antiquarischen Ausgabe von 1922, in Fraktur gesetzt und ich hab es im Alter von 10/11 Jahren förmlich verschlungen.

Abgesehen von der geschichtlichen Relevanz, die ich zu Beginn gar nicht erkannte – ich liebte die sperrige Sprache und ihre altertümlichen Schilderungen, für mich machte es das Geschehen greifbarer.
Die wesentlichen Figuren auf Seiten der vom Autor mehr als deutlich favorisierten Goten werden im ersten Kapitel vorgestellt und ich erinnere mich lebhaft an meine Empfindungen, als ich die Beschreibung des Teja las.

„Das volle Licht der Fackel beleuchtete ein geisterhaft bleiches Antlitz, das fast blutleer schien; lange, glänzend schwarze Locken hingen von dem unbedeckten Haupt wie dunkle Schlangen wirr bis auf die Schultern. Hochgeschweifte, schwarze Brauen und lange Wimpern beschatteten die großen, melancholischen dunkeln Augen voll verhaltner Glut, eine Adlernase senkte sich sehr scharfgeschnitten gegen den feinen, glattgeschornen Mund, den ein Zug resignierten Grames umfurchte.
Gestalt und Haltung waren so jugendlich: aber die Seele schien vor der Zeit vom Schmerz gereift.
Er trug Ringpanzer und Beinschienen von schwarzem Erz und in seiner Rechten blitzte ein Schlachtbeil an langem lanzengleichem Schaft.“ (Felix Dahn, Ein Kampf um Rom, 1. Buch 1. Kapitel)

Schockverliebt. Die tragische Gestalt in schwarzem Gewand war meine Sehnsucht, seit ich denken kann. Ob das der ‚Fliegende Holländer‘ war oder Andy Eldritch bei den Sisters of Mercy.
Als Junge musste ich mit der Vorstellung auskommen, heute kann eins diese Vorstellung in irgendeine KI kippen und so habe ich mal ‚meinen‘ Teja malen lassen.
Die Lyra bezieht sich darauf, dass Teja ein Hang zu Poesie und Musik nachgesagt wurde und er (ganz ähnlich wie Gurney Halleck in Dune by the way) nicht nur ein formidabler Kämpfer war, sondern auch diese künstlerische Note hatte.
So wäre dann auch geklärt, warum ich schon immer einen Hang zur Goth-Szene hatte und selbst selten andere Farben als schwarz trage.

Von Louis Emil Gottheil (1844-1920, Photographer), Heinrich Riffarth (1860-1908, Photogravure, Printer) – Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, CC BY-SA 4.0

Natürlich war das aber nur ein Teil der Medaille – bevor ich jetzt viel über das Buch oder den Auto erzähle, musste ich mich erst versichern, dass der gute Felix auch eine Würdigung verdient. In der damaligen Zeit waren die Nationalisten und Antisemiten bekanntlich an jeder Ecke zu finden.
Nicht so aber Felix Dahn, dem völkisches Denken zwar nicht fremd war, der aber regelrecht ‚zionistisch‘ für einen Goy war :-D
Das hat mich nachgerade gefreut.
Ein intelligenter Mann mit überraschend modernen Ansichten und solider Recherche. ‚Ein Kampf um Rom‘ basiert im Wesentlichen auf den Schriften des Prokopius von Caesarea, dem Historienschreiber in Diensten des Belisar(ius). Und da sind wir wieder beim Anfang dieser Geschichte.

Von daher: Lest das Buch ruhig, es hat zwar wagnerianische Züge, wie ihr aus der obigen Beschreibung sehen könnt, aber es ist trotzdem ein interessantes Stück Geschichte, in Romanform verpackt.
Ich habe meine Ausgabe immer noch, die Bücher von 1922 sind auch in ihrem 103 Jahr noch in gutem Zustand und ich werde sie weiterhin in Ehren halten.

Und ‚mein‘ Teja? Der fiel am Mons Lactarius im Jahr 552 oder 553 und die letzten knapp 1000 Ostgoten durften nach zweitägiger Schlacht abziehen.


„Gebt Raum, ihr Völker, unsrem Schritt…“



Fediverse Reactions

sparta

Antifascist. He/His. Get vaccinated. Wear a mask. Jede*r anders, alle Drama. Quality misunderstandings since 1963. Change is constant.

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