(English version below)


„Machense mal Platz da! Sehnse nich, dass ich behindert bin, häh?“

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Eben. Das sieht man mir zum Beispiel auf den ersten (oder zweiten) Blick nicht an.
Trotzdem ist es seit ein paar Jahren mein Los, mich mit einer Behinderung durch das Leben schlagen zu müssen/dürfen. Entstanden ist diese Behinderung durch einen Verkehrsunfall.
In Kürze: Mir ist mit hoher Geschwindigkeit ein anderer Motorradfahrer vorne schräg reingefahren.
Die Folge war neben diversen Brüchen, einem Lungenriss und ein paar Kleinigkeiten eine Absprengung am Brustbein, die den in diesem Bereich verlaufenden Nervus vagus reccurens zerstört hat. Seither habe ich eine beidseitige Stimmbandlähmung (Recurrensparese).
„Stimmbandlähmung? Dann kannst du also nicht mehr sprechen.“

Knapp daneben. Sprechen kann ich schon ziemlich deutlich. Atmen kann ich nicht mehr gut, da die Stimmbänder den Luftweg in die Lunge verengen, bei mir auf 1-2mm, wo normalerweise bei der Aspiration (Einatmung) schon das mehr als zehnfache an Spalt zur Verfügung steht.

Ich bekomme also schon in Ruhe schwer Luft, bei allerkleinsten Anstrengungen ist sofort Schluss mit lustig. Treppen steigen, Fahrrad fahren, Fegen, Wandern (okay, da machen auch die Knochen nach dem Crash nicht mehr so mit, Sport geht gar nicht) und vor allem Singen, Vorträge halten, Vorlesen etc. sind nicht mehr möglich. Telefonieren ist sehr kompliziert, weil keiner so schnell kapiert, dass die langen Pausen zum Atmen notwendig sind und nicht den Abschluss der Aussage bilden.
Das sind die Fakten.

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Warum sich insbesondere in meinen Berichten im Blog oder auch sonst ausgesprochen wenig zu der Thematik findet, liegt daran, dass ich keine Lust habe, ständig mein „Leiden“ in den Vordergrund zu rücken. Natürlich spielt Verdrängung auch eine Rolle, aber viel mehr ist das Nicht-Thematisieren davon getragen, dass es eh nicht zu ändern ist. Es wird nie mehr besser und es wird auch nicht verschwinden. Schade, aber müßig, sich darum Gedanken nach dem ‚hätte-wäre‘ Prinzip zu machen.

In meinem Berufsleben, aber auch in vielen anderen Bereichen habe ich gelernt, dass im Umgang mit nahezu allen Situation die drei bekannten Reaktionsmöglichkeiten:

  1. Love it
  2. Change it
  3. Leave it

bleiben. Im vorliegenden Fall scheiden 2. und 3. leider aus, also bleibt mir keine große Wahl. ;-)

Somit wird hier auch weiterhin hauptsächlich das zu finden sein, was geht, was mir Spaß macht und gemacht hat.

Dass ich Stunden damit verbringe, Ruhe zu finden und meinen Atem-Rhythmus anzupassen, dass ich vor jedem Weg zurückschrecke, der mehr als 5 Treppenstufen beinhaltet, dass ich manche Freunde für ihre Wohnungen in oberen Stockwerken leise verfluche (laut ist eh nicht, da geht so viel Luft verloren), dass ich kotzen könnte, wenn ich mir klar mache, dass ich nie wieder singen kann und dass ich diesen elenden Scheißdreck lieber nicht an der Backe hätte, sollte nicht allzu unverständlich sein, auch ohne dass es ständig auf’s Neue geschrieben wird.
Ehrlich gesagt, ist eine Behinderung viel zu langweilig, als dass man ihr zuviel Raum geben sollte. Sie nimmt sich ohnehin genug.


„Make room there! Can’t you see I’m handicapped, huh?“


Exactly. You can’t tell at first (or second) glance that I’m disabled.
Nevertheless, it has been my cross to bear for several years now to have to live with a disability. This disability was caused by a traffic accident.
In short: I was hit by another motorcyclist at high speed.
The consequence was several fractures, a rupture of the lung, and a few smaller damages, but gravest among them were bone splinters off the sternum that destroyed the vagus reccurens nerve running in this area. Since then, I have had bilateral vocal cord paralysis (recurrens paresis).
„Vocal cord paralysis? So you can’t speak anymore.“

Close. But not right. I can speak quite clearly. But I can’t breathe normally anymore, because the vocal cords narrow the airway into the lungs, in my case to a 1-2mm gap, where there normally is more than ten times that diameter available during aspiration (inhalation).

So I have a hard time breathing even when I’m at rest, and the slightest exertion immediately puts an end to the fun. Climbing stairs, riding a bike, sweeping, hiking (okay, my bones don’t cooperate very well after the crash anyway, sports are a no-go) and especially singing, lecturing, reading aloud, and so on are no longer possible. Talking on the phone is very complicated because no one understands that the long pauses are a necessity caused by my difficult breathing and do not conclude the statement.
These are the facts.

Why do you find very little in my articles on this blog about the matter?
It’s because I do have very little desire to bring up my „suffering“ constantly. Of course, repression plays a role, but more important is the fact that it won’t change anyway.
It will never get better and it will never go away.
That’s a shame, but I don’t want to spend my time with ‚would or could‘-stuff.

In my professional life, but also in many other areas, I have learned that in dealing with almost any situation, there are three options:

Love it
Change it
Leave it


In the present case, unfortunately, 2. and 3. are out of the question, so what choice to I have? ;-)

That’s why here you will find mainly stuff that works, what I enjoy and have enjoyed, what I have achieved and what was fun!

The fact that I spend hours trying to find rest and adjust my breathing rhythm, that I shy away from any path that involves more than 5 flights of stairs, that I silently curse some friends for their apartments on upper floors (to complain loudly is not an option as it consumes too much air), that it makes me sick to know that I’ll never be able to sing again and that I’d rather not have this whole shit to deal with shouldn’t be too incomprehensible, even without it being constantly rewritten.
Honestly, disability is far too boring to be given too much space. It takes enough anyway.